Lexikon - Drogenabhängigkeit

Unter Drogenabhängigkeit versteht man eine psychische oder auch körperliche Abhängigkeit von bestimmten Stoffen. Dabei muss zwischen legalen und illegalen sowie weichen und harten Drogen unterschieden werden. Früher bezeichnete man die Drogenabhängigkeit als Drogensucht oder oft auch einfach nur als Sucht.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Es wird allgemein angenommen, dass sich die Zugänge zu psychoaktiven Substanzen für Jugendliche erleichtert haben. Autoren wie Franzkowjak, Farke, Hurrelmann und Alt-Teigeler sehen das Experimentieren mit legalen und illegalen Rauschsubstanzen und auch den zeitweiligen Missbrauch von psychoaktiven Substanzen als eine Ausprägung jugendlichen Risikoverhaltens. Diesen Probier- oder Experimentierkonsum zählt man heute zu den Entwicklungsaufgaben der Heranwachsenden und als ein Faktor zur Ausbildung der Risikokompetenz. (vgl. Öbig, S.3 und Laging „Riskanter Suchtmittelkonsum bei Jugendlichen“. 2005; S.66)

 

Psychische und körperliche Abhängigkeit

Grundsätzlich sind für eine psychische Abhängigkeit bestimmte Voraussetzungen notwendig. Der Gebrauch von Drogen aus Fluchtgründen (Schulprobleme, Depressionen, Einsamkeit) oder um einer bestimmten Gruppe anzugehören führt bald in eine psychische Abhängigkeit. Besonders häufig tritt diese im Zusammenhang mit Cannabis, Nikotin und Alkohol auf. Im Falle der letzten beiden kann auch eine körperliche Abhängigkeit folgen. Psychische Abhängigkeit muss vor allem bei Drogen wie Cannabis, LSD und anderen befürchtet werden, wenn das soziale Umfeld (Familie, Freunde, Schule) labil ist. In geordneten Verhältnissen (klare Ziele, guter Freundeskreis) ist die Gefahr wesentlich geringer.

Körperliche Abhängigkeit wird durch harte Drogen verursacht, welche im Körper bestimmte Rezeptoren belegen und die Ausschüttung von Glückshormonen anregen oder vortäuschen. Die Gefahr besteht hierbei darin, dass die empfangenden Rezeptoren mit der Zeit abstumpfen und ohne die Einnahme der verwendeten Droge kein ausgeglichener Zustand mehr herstellbar ist.

 

Drogenabhängigkeit (Definition gemäß WHO)

Drogenabhängigkeit wurde 1964 definiert als „ein Zustand, der sich aus der wiederholten Einnahme einer Droge ergibt, wobei die Einnahme periodisch oder kontinuierlich erfolgen kann. Ihre Charakteristika variieren in Abhängigkeit von der benutzten Droge (...)“. Die Drogenabhängigkeit wurde dann in sieben Kategorien nach sieben Stoffgruppen respektive Stoffe eingeteilt:

  1. Morphine,
  2. Barbiturate und Alkohol,
  3. Kokain,
  4. Cannabis,
  5. Amphetamine,
  6. Khat und
  7. Halluzinogene.
        

Diese Kategorisierung löste zahlreiche Irritationen aus. So fragte man sich, warum die in ihrem Gebrauch fast ausschließlich auf den Jemen und Osten Afrikas beschränkte Khat-Pflanze als eigene Kategorie aufgenommen wurde; warum für die beiden Halluzinogene LSD und Cannabis gleich zwei getrennte Abhängigkeitskategorien eingerichtet wurden; und, nicht zuletzt, warum eigentlich Alltagsdrogen, wie etwa Nikotin oder Koffein, gar nicht erst thematisiert worden waren. Solche und ähnliche Fragen wurden von der WHO allerdings nicht erklärt, so dass zahlreiche Experten auf dem Gebiet der internationalen Drogenpolitik wie Sebastian Scheerer wohl zu recht konstatieren, alle Definitionen der WHO seien stets vom Leitmotiv geprägt gewesen, eine plausible Verbindung der vorherrschenden wissenschaftlichen Ansätze zur terminologischen Erklärung und Begründung der internationalen Suchtstoffabkommen herzustellen, da immer wieder neue Substanzen deren strengen Kontrollen unterworfen wurden. So musste der Suchtbegriff immer weiter und notwendigerweise auch immer vager gefasst werden. Offiziell wurde mit der Definition von 1964 die begriffliche Aufspaltung in psychische und physische Drogenabhängigkeit festgeschrieben und mit ihr ein substanzzentriertes Verständnis des Suchtbegriffs, der aber in seiner Präzisierung so undeutlich war, dass diese Definition wohl als eine strategische gedeutet werden muss, mit der „endlich der Weg frei war zur Einbeziehung aller irgendwie verdächtigen Stoffe in zukünftige Kontrollabkommen".

Verhinderung von Drogenabhängigkeit

Drogenabhängigkeit (früher Drogensucht genannt) kann vor allem mittels Abstinenz oder mittels Drogenmündigkeit verhindert werden. Da das Gegenteil von Sucht und exzessivem Konsum zumeist nicht durch Abstinenz gekennzeichnet ist, sondern vornehmlich durch Drogenmündigkeit, ist zur Verhinderung von Drogenabhängigkeit ein Prozess zur Entwicklung von Methoden zur Vermittlung von Drogenkunde, Genussfähigkeit, Risikomanagement und Kritikfähigkeit in Bezug auf den Umgang mit psychoaktiven Substanzen anzustoßen und zu fördern. Im Ergebnis von Drogenmündigkeit entsteht ein integrierter, autonom kontrollierter und genussorientierter Drogenkonsum, der den Konsumenten psychoaktiver (psychotroper) Substanzen die selbstbestimmte und selbstverständliche Teilnahme am allgemeinen gesellschaftlichen Leben ermöglicht.

Seit den 80er Jahren betrachtet man Sucht/Abhängigkeit als multifaktoriellen Prozess , bei dem biologische, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren zusammenwirken. Suchterkrankung entwickelt sich in einem multikausalen und interaktiven Prozess. (Laging M. „Riskanter Suchtmittelkonsum bei Jugendlichen“; 2005; S.32 )

Alan Leshner hat 1997 als Direktor des amerikanischen National Institute of Drug Abuse (Nida) eine Bilanz der jahrzehntelang betriebenen neurowissenschaftlichen Forschungstätigkeit gezogen : "Sucht ist eine Hirnkrankheit"

In Tierversuchen wurde festgestellt, dass unser Verhalten durch ein hochkomplexes Belohnungssystem gesteuert wird. Dieses beruht auf dem Botenstoff Dopamin, der auch bei Stimulationen wie Sex, Nahrungsaufnahme, romantischer Liebe oder bei Erfolgserlebnissen aller Art eine wichtige Rolle spielt. Es entwickelt sich ein Wiederholungseffekt, das Individuum verspürt die "Lust auf mehr" (unwiderstehliches Verlangen, engl. craving).

Das cAMP-System (cAMP = zyklisches Adenosinmonophosphat) ist verantwortlich für die Toleranzbildung von psychoaktiven Stoffen (Kokain, Alkohol, Nikotin etc.) Doch spielt es ebenfalls für die Entzugssymptomatik eine wichtige Rolle. Außerdem kann ein Protein (DFosB) die Verbindungswege neuronaler Impulse verändern.

Auf den Oberflächen und im Innern der Nervenzellen hinterlassen psychoaktive Substanzen Veränderungen, die sich einerseits auf die Wahrnehmung des nächsten Konsums, wie aber auch auf das Empfinden des Nichtkonsums auswirken. Zudem werden mit der Zeit auch neue Zellverbindungen (Verknüpfungen der Axonen) gebildet, während andere verkümmern. Das heißt, unser Gehirn passt sich dem Konsumverhalten biologisch an. Veranschaulichen lässt sich dieser Vorgang mit dem Lauf eines wilden Flusses. Es bilden sich je nach Wasserstärke und chemischer Zusammensetzung verschiedene Formen in der Landschaft und im Gestein.

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