Um Verständnis zur russischen Codierungs-Methode zu vermitteln veröffentlichen wir nachfolgend Auszüge aus einem von uns in Auftrag gegebenen Gutachten von 1999.

Herr Prof. Dr. Wolf Lauterbach
Professor für Klinische Psychologie & Psychotherapie
erstellte das Gutachten

Auszüge aus dem Gutachten von Prof. Dr. Wolf Lauterbach
Professor für Klinische Psychologie & Psychotherapie

Sachliches Urteil zur "Codierung" nach Dovzhenko.

Was mich dazu qualifiziert ist erstens, dass ich das Fach Klinische Psychologie/ Psychotherapie im Diplomstudiengang vertrete und selbst approbierter Psychotherapeut bin. Zweitens war ich zu einem langen Forschungsaufenthalt 1974/75 an der Psychiatrischen Forschungsklinik Bechterew (Leningrad) als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft Bonn. Darüber habe ich in Fachzeitschriften sowie in einer Monographie ("Psychotherapie in der Sowjetunion: Methoden und Perspektiven", Urban & Schwarzenberg, München, 1978; Pergamon, Oxford, 1984) veröffentlicht. Seitdem arbeiten wir in der Forschung mit den russischen Kollegen zusammen und sehen uns regelmäßig; ich bin Ehrenmitglied der Russischen Psychotherapeutischen Gesellschaft. Ein Ergebnis meiner damaligen Recherchen für die Monographie sowohl in der Fachliteratur als auch in den Therapieräumen verschiedener Kliniken und Sanatorien der Sowjetunion war, dass dort zwar eine unerwartete Vielfalt von psychotherapeutischen Ansätze zur Anwendung kam, die verbreitesten aber mit deutlichem Abstand "Rationale Therapie" mit verhaltenstherapeutischen Bestandteilen, und suggestiv-hypnotische Verfahren waren. Zu diesen Verfahren hinzu kommt bei Alkoholismus Aversives Konditionieren zur Anwendung.

Darstellung der Dovzhenko-Therapie

Die ausführlichste  mir verfügbare Darstellung der Dovzhenko-Therapie  ist die in der Psychotherapeutischen Enzyklopädie von Prof. Kawarsarskij (Hrsg.) vom Bechterew-Institut in St. Petersburg, an deren Vorbereitung ich beteiligt war.
Daraus geht hervor, dass es sich um ein Therapieprogramm handelt, das aus mehreren, vor allem rational-therapeutischen und suggestiv-hypnotischen Techniken (auch auto-suggestiver Selbstverbalisation und Selbstinstruktion) besteht und in mehreren  Abschnitten durchgeführt wird. Der letzte Abschnitt ist die sog. "Codierung", eine Art aversiver Konditionierung unter Hypnose. Diese Therapieverfahren und ihre Zusammenstellung sind also typisch für die psychotherapeutischen Ansätze der russischen Psychiatrie. Ziel der Dovzhenko- Therapie ist die Etablierung der unbezweifelbaren Einstellung, unerschütterlichen Vorsatzes, dauerhaft dem Alkohol fern zu bleiben. Begründet wird dieser Vorsatz, in einer Motivierungsphase zunächst indirekt-suggestiv und rationaltherapeutisch. Zweck dieser "Codierung" ist die Erzeugung einer starken, dauerhaften Aversion gegenüber dem Alkohol, die die zuvor rational- und suggestiv-therapeutisch bestärkte Motivation zur Abstinenz neuropsychologisch unterstützen soll. Der neuropsychologische, therapeutisch wirkende theoretische Mechanismus der Aversionsbildung soll darin bestehen, dass durch diese Prozeduren im Emotionszentrum des Gehirns starke und sich selbst verstärkende emotional - aversive Erregungsherde entstehen, die verbunden mit einem dadurch ausgelösten Selbsterhaltungsreflex den Drang zum Alkoholkonsum blockieren. Im Patient wird, oder wurde ursprünglich von Dovzhenko, neuropsychologisch und physisch die Überzeugung und Erwartung gesetzt, dass eine Verletzung der Abstinenz die schlimmsten psychischen und physischen Konsequenzen für sie hätte, bis hin zum Tod. Insoweit wie die Codierung Parallelen im Aversiven Konditionieren hat, entspräche der Therapie-Komplex von Dovzhenko den in der Sowjetunion üblichen Alkohol-Therapien mit suggestiven, rationalen und aversiven konditionierenden Anteilen.

Zur Anerkennung und wissenschaftlichen Bewährung der Dovzhenko-Therapie:

Der im letzten Absatz erwähnten Stellungnahme ist aber auch zu entnehmen, dass die Dovzhenko-Therapie 1980-81 am Protopopow-Forschungsinstitut für Neurologie und Psychiatrie in Charkow (Ukraine) approbiert und dass sie staatlich anerkannt wurde.
Seit 1982 wurden Therapeuten darin ausgebildet.

Stellungnahme

Die Dovzhenko-Therapie ist mit den Traditionen und theoretischen Grundlagen der russischen Psychiatrie vereinbar und Teil der real existierenden russischen Psychiatrie. Sie besteht aus nachvollziehbar aufeinander bezogenen Therapieteilen. Einige Bestandteile im Stadium der Codierung muten vor dem Hintergrund des heutigen westeuropäischen Denkens fremd an, aber angesichts ihrer Popularität auch im heutigen Russland passen sie offenbar gut in die dortige gegenwärtige Kultur.